Mehrere hundert Menschen haben am 15. Juli 2020 vor dem Osnabrücker Rathaus der AfD gezeigt, dass Faschist*innen ihre Hetze in dieser Stadt nicht ohne starken Protest in den öffentichen Raum bringen können. Unterstützt wurden sie dabei durch eine bunte Transpiaktion vom Dach der Stadtbibliothek, die mit großem Beifall und Jubelrufen begrüßt wurde:
Später wurde dann eine Person von der Polizei in Gewahrsam genommen und mit dem Vorwurf überzogen, durch den Einsatz von Pyrotechnik gegen das Sprengstoffgesetz verstossen zu haben. So weit, so gewöhnlich, wenn es um die Kriminalisierung von Antifa-Aktivist*innen geht.
Kurz darauf aber gab es eine Anzeige wegen „Hausfriedensbruchs“ in dieser Sache bei den Repressionsorganen – ein Straftatbestand, bei dem es sich um ein „Privatklagedelikt“ handelt, was bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft nicht aus „öffentlichem Interesse“ ermittlet, sondern nur, wenn sich ein/e „Betroffene/r“ findet, die/der anzeigt. Wie aus gut unterrichteter Quelle verlautet, ging diese Anzeige nicht von der Stadtbibliothek selbst aus, was nur bedeuten kann, dass eine ihr übergeordnete Stelle in der kommunalen Hierarchie es für richtig hielt, der Staatsanwaltschaft bei der möglichst weitgehenden Kriminalisierung einer antifaschistischen Aktion behilflich zu sein.
Hier handelt es sich mal wieder um eine Spitzenleistung bürgerlicher Ideologie: Einerseits behauptet die Stadt Osnabrück, sie sei weltoffen, gegen Rassismus, für die Rechte von Geflüchteten, eine echte „Friedensstadt“ eben, andererseits entschieden die Amtsträger in diesem Fall, sie könnten die völlig ohne jeden Schaden abgelaufene und gegen Nazis (also Feinde aller ihrer vorgeblichen Werte) gerichtete Aktion nicht einfach als antifaschistisches Statement hinnehmen, sondern müssten die maximal möglichen juristischen Geschütze auffahren. Denn wenn die Aktion von Antifaschist*innen kommt, so ist wohl die Denke, ist sie ja eigentlich kaum besser, als wenn Nazis ein fettes Hakenkreuz ausgerollt hätten. Alles Extremismus, Rechts = Links, die Enden des Hufeisens liegen eng beeinander, wir kennen das…
Eine weitere Etappe in dieser Farce von Repression und Heuchelei wurde erreicht, als die Staatsanwaltschaft feststellte, dass die verwendeten Nebelstäbe gar keine verbotenen Gegenstände im Sinne des Sprengstoffgesetzes darstellten, wie ursprünglich behauptet. Nun wurde der Schwerpunkt für den angestrebten Prozess statt dessen auf den an Absurdität und durchsichtiger politischer Verfolgungsabsicht nicht mehr zu überbietenden Angklagepunkt „Aufruf zu einer Straftat“ verlegt. Denn auf dem Transparent stand nunmal „Stammtische zerschlagen, Nazi-Schweine jagen“, was in den Augen der Anklagebehörde nicht etwa eine energische metaphorische Beschreibung der politischen Bekämpfung von Faschist*innen ist, wie in der völlig friedlichen Demonstration, deren Teil das Transpi war, sondern ein Aufruf zu Körperverletzung oder Schlimmerem. Der Staatsanwaltschaft muss klar sein, dass eine solche nicht gegen konkrete Personen gerichtete Aussage unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fällt und spätestens vor einer höheren Instanz als dem lokalen Amtsgericht kassiert werden würde. [Eine ähnliche Strafanzeige gegen „Wir werden sie jagen!“-Gauland ist zumindest bisher öffentlich nicht bekannt.]
Aber das ist dieser Repressionsbehörde ganz gleichgültig, kann sie doch darauf hoffen, dass die kriminalisierte Person nicht über die Ressourcen verfügt, einen jahrelangen Rechtsstreit zu führen. Bei dieser Art von politischer „Strafverfolgung“ geht es primär darum, Menschen durch Strafandrohung und Strafe in die Passivität zu zwingen, sie davon abzuhalten, sich außerhalb des staatlich „erlaubten“ für eine Veränderung der miesen Zustände einzusetzen.
Damit der Staat und seine Helfershelfer in ihren Absichten scheitern haben wir jedoch eine Waffe: Unsere Solidarität gegen jede Repression!
Hinein in die Rote Hilfe!